vor 100 Jahren: Rathausbrand in Hirschau
Vor 100 Jahren brannte das Rathaus in Hirschau. Dazu schrieb die Tübinger Chronik unter der Rubrik „für den Oberamtsbezirk Tübingen“ „Nachbarbezirke“
Rathausbrand in Hirschau
Hirschau, 6. Dezember 1923. Ein furchtbares Unglück traf heute Nacht unsere Gemeinde. Kurz nach 3 Uhr wurden die Einwohner durch Feuerrufe, Feuersignale und Sturmgeläute aus dem Schlaf geweckt. Durch unbekannte Ursache war im Rathaus Feuer entstanden, das im Holzgebälk, den vielen Akten so reichlich Nahrung fand, daß in kurzer Zeit das ganze große Haus einem Feuermeere glich. Durch das rasche Umsichgreifen des Feuers war es nicht möglich, von dem wichtigen Aktenmaterial etwas zu retten. Die Feuerwehr war rasch zur Stelle, mußte aber ihren ganzen Einfluß aufbieten, um die stark gefährdeten Nachbargebäude zu retten. Dem tatkräftigen Eingreifen der Feuerwehr gelang es mit Unterstützung der Feuerwehr von Wurmlingen, die zur Hilfeleistung auf dem Brandplatz erschien, und der ganzen Einwohnerschaft, namentlich der Frauen und
Jungfrauen, die stundenlang Wasser tragen mußten, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Der Schaden, den die Gemeinde erlitten hat, läßt sich noch nicht übersehen. Das Rathaus selbst war das schönste Gebäude im Ort, mit schönem, und geschnitzten Gebälk und galt als Sehenswürdigkeit. Unersetzbar ist der Wert des Aktenmaterials, der Grundbücher, Gemeinderatsprotokolle ufw. Auch Vereine, wie der Militär- und Gesangsverein werden von dem Unglück durch den Verlust ihrer Fahnen, die im Rathaus aufbewahrt waren, betroffen. Auch der Raum, in dem die Feuerlöschgeräte aufbewahrt wurden, hatte schon gebrannt, als die Geräte herausgeschafft wurden. Wenn das Feuer eine kurze Zeit später entdeckt worden wäre, so würde das Unglück
unüberschaubar groß geworden sein.
Schon ein Jahr später konnte das neue Rathaus am 18. Oktober 1924 eingeweiht
werden. Das niedergebrannte Rathaus stammte laut Jahreszahl im Schlußstein aus dem Jahr 1793. Die damals nach der Inflation bettelarme Gemeinde Hirschau verschickte im ganzen Oberamt „Bettelbriefe“ an Institutionen und Gemeinden und fand Unterstützung. Die Tübinger Chronik schrieb dazu zur Einweihung: Nicht weniger als 16 öffentliche Kooperationen und 610 Gemeinden haben sich in selbstloser Weise daran beteiligt und die hübsche Summe von 18000 Mark beigesteuert.
Foto: ein Zierbalken des abgebrannten Rathauses